Ein Erfahrungsbericht über meine Zeit in Nicaragua
Mein Name ist Sandrine und ich bin seit Kurzem im Jenaer Eine-Welt-Haus aktiv. Um das Behindertenprojekt, das Sie mit Ihren Spenden möglich machen, kennenzulernen und zu unterstützen, habe ich von September 2024 bis März 2025 einen Freiwilligen-einsatz in unserer nicaraguanischen Partnerstadt San Marcos gemacht.
Durch die Arbeit in diesem Projekt an der "escuela de educación especial", der Schule für Kinder mit Behinderungen, und die damit verbundenen Hausbesuche konnte ich schon viele Orte im Umkreis kennenlernen und damit auch tiefere Einblicke in das Leben einzelner Familien bekommen. Im Gesundheitsprojekt arbeiten die Physio-therapeutin Arlen und der Psychologe Serguei. Da ich auch Physiotherapeutin bin, hat es mich vor allem interessiert, wie hier die Therapie mit den Kindern gestaltet wird. Deshalb war ich jede Woche abwechselnd einen Tag im Raum des Gesundheits-projekts und an den anderen Tagen habe ich die beiden Mitarbeiter bei Haus-besuchen begleitet. An das Gebäude dieser Schule wurde vor einigen Jahren ein Therapieraum gebaut, um die jungen Patient*innen dort zu behandeln. Der Neubau wurde möglich durch eine Initiative des Jenaer Physiotherapeuten Mario Schmauder.
Diese Besuche sind wichtig, um das Umfeld, in dem die Kinder aufwachsen, kennen-zulernen. Die Patienten sind zwischen wenigen Monaten und 21 Jahren alt, ihre Behinderungen reichen von verzögerter Sprachentwicklung über Muskeldystrophie bis zu seltenen Erkrankungen. Ein 5-jähriges Mädchen z. B. hat das West-Syndrom, das sich u. a. durch Krampfanfälle äußert; sie sitzt deshalb im Rollstuhl.
Bei den Kindern und Jugendlichen werden je nach Erkrankung und Symptomen ver-schiedene Therapieformen angewendet. So wird Sprach- und Sprechtherapie mit Hilfe von Puzzeln durchgeführt, auf denen Buchstaben abgebildet sind. Die sollen laut und korrekt ausgesprochen werden. Oder es gibt Karten mit Tieren, welche die Kinder be-nennen müssen. Koordinatives Training, wie das Binden der Schnürsenkel, Bilder aus-malen oder einen Turm aus Plastikbechern bauen, schult die Feinmotorik der Hände. Im Raum des Gesundheitsprojekts führt Arlen Bewegungstherapie durch. Um das auf-rechte Stehen zu trainieren, gibt es ein Gerät, an dem das Kind dabei unterstützt wird, die Position zu halten und nebenbei auf einem kleinen Tisch mit Spielzeug zu spielen.
In der zweiten Hälfte des Novembermonats ging das Schuljahr zu Ende. In San Marcos fand ein großer Karnevalsumzug statt, bei dem die Schulen Musik gespielt oder Tänze aufgeführt haben und viele Menschen in Verkleidung herumliefen. Die escuela especial hat nicht daran teilgenommen - unter anderem deswegen, weil manche Kinder nicht oder nicht gut laufen können. Stattdessen wurde ein „festival artistico“, ein Fest der Artisten, veranstaltet, zu dem die Familien der Kinder und Jugendlichen eingeladen wurden. Fast alle Leute kamen passend zu Weihnachten in roter Kleidung oder mit irgendeinem weihnachtlichen Accessoire. Die Schüler*innen führten Tänze auf und es wurden Bastelwerke ausgestellt. An einem anderen Tag lud die Schule Studierende aus einem anderen Gymnasium ein, die piñatas (aus Pappe gebastelte Figuren, die mit Süßigkeiten gefüllt werden) mitbrachten. Auch an diesem Fest waren eine Menge Leute anwesend und alle – Eltern, Geschwister, Lehrer*innen und Schüler*innen – haben sich an den Süßigkeiten aus der piñata bedient, als diese von den Kindern mit einem Stock auseinandergeschlagen wurde. Es war eine sehr schöne und lustige Veranstaltung. Und schnell kam auch schon der letzte Schultag des Jahres, an dem die Zeugnisse und besonderen Auszeichnungen verliehen wurden. Dies fand im alten Bahnhofsgebäude von San Marcos statt. Für mich war es ein sehr besonderer Tag, diese Zeremonie begleiten zu können.
Ab Anfang Februar war ich dann wieder im Projekt tätig, wobei wir zu Beginn des neuen Schuljahrs die Therapiepläne für neue Patient*innen erstellen mussten.
Außerdem haben wir bei Gesundheitszentren in den Gemeinden um San Marcos nachgefragt, ob es weitere Kinder mit Behinderungen gibt, für die ein Besuch der Schule für Behinderte oder eine Therapie sinnvoll wäre. Bei den Hausbesuchen wurden Arlen und ich meist von einer Lehrerin begleitet. In jedem Schuljahr ist eine andere Lehrerin oder ein anderer Lehrer für die frühkindliche Bildung der Kinder von 0 bis 3 Jahren verantwortlich und begleitet die physiotherapeutische und psychologische Behandlung dieser Kinder. So kam die Lehrerin immer mit und hat Evaluationen ausgefüllt. Es sollte bei jedem Kind festgestellt werden, was es momentan kann und was nicht und daraus wurden dann individuelle Ziele für die Behandlung festgelegt und ein Therapieplan entwickelt.
Zusätzlich war ich mit Arlen und Serguei in der Radiosendung des Projekts im kommunalen Radio Solidaridad, bei der 2 - 3 Mal im Monat über ein Gesundheitsthema geredet wird. Beispielsweise haben wir über Stress oder die Unterschiede im Leben von Menschen mit Behinderungen in Deutschland und in Nicaragua geredet. Arlen und Serguei berichten in der Radiosendung außerdem immer viel aus ihren praktischen Erfahrungen, wie zum Thema Autismus.
In der Zeit, die ich im Projekt verbracht arbeitete, habe ich gemerkt, wie wichtig dieses kostenlose Therapieangebot ist. In Nicaragua gibt es zwar ein Angebot an kostenlosen physiotherapeutischen Behandlungen, jedoch ist dieses sehr begrenzt und nicht überall verfügbar. Und den Besuch privater Praxen können sich wenige Leute leisten. Gerade weil Personen mit Behinderungen meist jahrelang und regelmäßig eine Betreuung benötigen, ist das für viele Familien nicht finanziell stemmbar.
Viele der hiesigen Physiotherapeuten, die kostenlose Behandlungen anbieten, können dies nur machen, da sie Unterstützung durch Spenden von Organisationen bekommen. So wird auch das Gesundheitsprojekt des Eine-Welt-Haus Jena durch private Spenden finanziert. Damit werden die Gehälter der Physiotherapeutin und des Psychologen finanziert. Auch die Kosten für den Transport zu den Hausbesuchen, die die beiden Mitarbeitenden regelmäßig erledigen, werden dadurch abgedeckt. So kann ermöglicht werden, dass die Familien der Kinder nichts für die Therapie bezahlen müssen.
Außerdem merke ich, wie wichtig es ist, dass die Kinder dort in den Raum kommen und die Spielsachen und Übungsgeräte nutzen können. Denn viele von ihnen haben daheim diese speziellen Dinge nicht zur Verfügung. Einmal habe ich mit Arlen und Serguei einen Workshop für die Eltern der Kinder gestaltet, bei dem wir eine Mappe mit Bildern gebastelt haben. Auf den Bildern waren unter anderem verschiedene Fahrzeuge oder Obst- und Gemüsesorten abgebildet, mit denen die Eltern dann daheim mit ihren Kindern sprechen üben können.
Mir fällt zudem auf, dass viele Dinge im Therapieraum noch Verbesserung brauchen: eine Behandlungsliege wäre sehr praktisch, um bequem gerade kleinere Kinder zu behandeln, da Arlen momentan auf einem Teppich am Boden arbeitet. Außerdem fehlen z. B. Boxen für die Spielsachen, damit diese nicht offen im Regal liegen und sich die Kinder während der Therapie nicht davon ablenken lassen.
Und schließlich kamen auch schon die letzten Tage meiner Zeit in Nicaragua und ich habe mich von allen nochmal verabschiedet. Ich bin sehr dankbar über diese Erfahrung und ich freue mich auf jeden Fall sehr, falls ich das Land noch einmal besuchen kann.
Wie Sie sehen, gibt es noch viel zu tun und daher bitte ich, bitten wir als Projekt-verantwortliche Sie um Ihre Unterstützung, um dieses Vorhaben weiterführen und ausbauen zu können.
Saludos, Sandrine
Ihre Spenden erbitten wir auf dieses Konto:
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