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Abenteuer im Land der Sandinisten und Kaffeepflanzen

Nachdem es unseren Stadtkaffee San Jena nun schon seit einigen Monaten zu kaufen gibt, ist es endlich soweit: Ich darf San Marcos in Nikaragua endlich einmal selbst kennen lernen. Drei Wochen Aufregung, Abenteuer und Arábica liegen vor uns. Ich bin mit einer Gruppe von Jugendlichen unterwegs, die sich um die Website www.meine-partnerstadt.de kümmern.

Mein ganz persönlicher Höhepunkt sollte der Kurztrip auf die Kaffeeplantage im Norden Nicaraguas werden. Von dort kommt ein großer Teil unseres Stadtkaffees San Jena. Die Firma Toledo mit Sitz in San Marcos betreibt hier zwei Fincas, Gloria I, die ältere, auf der heute Kardamomfelder zu finden sind, und Gloria II, wo sich große Kaffee- und Maisfelder erstrecken. Zu Erntezeiten arbeiten hier bis zu 80 Menschen.

Die gesamte Firmenleitung, verschiedene Mitarbeiter und vier Pick-ups erwarten unsere Gruppe am Morgen an der Unterkunft in San Rafael del Norte. Offensichtlich freut man sich wirklich über unseren Besuch und wahrscheinlich auch darauf, wie wir Europäer wohl durch den Schlamm der Felder stapfen – schließlich herrscht hier gerade Regenzeit. Wir hätten vielleicht stutzig werden sollen, dass die Nicas alle mit Gummistiefeln ausgerüstet waren und wir lediglich unsere Halbschuhe vorzuweisen hatten. Aber alle Bedenken sind wie weggewischt, als wir die Ladeflächen der Pick-ups erklimmen und es endlich losgeht. Die Straße ähnelt eher einem ausgewaschenen Flussbett mit vielen, vielen Höhen und Tiefen. Mehr oder weniger geschickt versuchen wir Deutschen, dem Hin- und Herschaukeln der Autos entgegenzuwirken, begleitet von lautem Gelächter, Anfeuerungsrufen und aufgeregtem Gejohle. Nach einer Viertelstunde gibt es einen ersten kurzen Zwischenstopp, die Nicas wollen unseren Gliedmaßen eine kleine Pause gönnen. Die mitgereisten Nicas aus San Marcos fragen uns, ob es bei uns im Winter auch so kalt wäre, was uns ein mildes Lächeln entlockt – herrschen hier doch für uns normale 17 °C. Nachdem wir sie mit unseren Jacken versorgt haben, geht es unverzagt weiter zur nächsten Station, einer kleinen Siedlung, in der man uns herzlich begrüßt und uns vom Leben in der Kooperative und von der Schule erzählt, dessen Lehrer von dem Unternehmen Toledo bezahlt wird, damit die Kinder hier ordentlich in die Schule gehen können.

Nach einem rutschigen Abstecher auf ein erstes Kaffeefeld - es ist alles verflixt steil und matschig, ein Königreich für ein Paar Gummistiefel! – geht es nun zu Fuß weiter auf die großen Kaffeefelder. Die mit Macheten ausgerüsteten Verwalter führen uns durch ihr Reich, zeigen uns Kaffeepflanzen in den verschiedenen Wachstumsstadien, erklären Anbau und Ernte und stützen uns bei schwierigen Wegstrecken. Wir befinden uns hier in ca. 1.100 m Höhe und der Kaffee wird an den Hängen angebaut. Geerntet wird aber glücklicherweise in der Trockenzeit ab November.

Nach einer kurzweiligen Pause auf der Finca Gloria I, wo auch gerade eine neue Schälanlage nach strengen ökologischen Vorgaben errichtet wird, geht es weiter zu den Kardamomfeldern auf Gloria II. Ein Duft von Kardamom und Zitronengras, das hier überall am Wegrand wächst, umgibt uns, während wir in die Feinheiten des Anbaus eingeweiht werden. Langsam werden die Nicas unruhig, ein Blick nach oben verrät uns auch, warum. Um uns herum färbt sich der Himmel langsam dunkelgrau – ein Gewitter zieht auf. Alles drängt zur Eile, wir ziehen unsere Regenjacken an, verstauen unsere Rucksäcke und die vorsichtigen Mitstreiter in den Autos und die Verrückten unter uns springen wieder auf die Ladeflächen. Ausgerüstet mit einer großen schwarzen Plane begeben wir uns auf die abenteuerliche, holprige Rückfahrt. Und dann bricht es los – Donner, Blitze und unglaubliche Wassermassen haben das Kommando übernommen. Wir hocken begeistert unter der Plane, die wir festhalten müssen. Das Regenwasser findet seinen Weg aber auch unter die Plane, wir werden immer nasser und sind trotzdem einfach nur begeistert von dieser unglaublichen Erfahrung. So schnell, wie es begann, endet das Gewitter und wir genießen den Rest der Fahrt aufrecht stehend, nun schon geschickter, was die Festhaltetechniken angeht.

Erst jetzt können wir uns ansatzweise vorstellen, wie viel Mühe, Arbeit und Aufwand hinter einer Tasse Kaffee stecken. Und doch - selten hatte ich so viel Freude daran, pitschnass und schlammverkrustet zu sein.

Solvejg Spirling August 2011