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Keiner aus dem Paketarbeitskreis sprach damals Spanisch – wir waren auf die Übersetzungen durch Hugo Melgar, einen in Jena studierenden guatemaltekischen Geflüchteten, und seine mexikanische Freundin Galina angewiesen.
Aus dem, was Rafael erzählt, hören wir sehr oft das Wort „el camino“ (der Weg) heraus. Ab sofort trägt unser Arbeitskreis diesen Namen, im Jahr 1990 lassen wir uns als Verein dieses Namens beim Amtsgericht registrieren.

Aus heutiger Sicht mag es seltsam anmuten, dass wir schon seit einigen Jahren Sach-spenden an einen Partner in Nicaragua geschickt hatten, ohne ihn oder die anderen Akteure persönlich zu kennen, basierend einzig auf Informationen aus dritter Hand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir von Rafael zwar schon viele Briefe und Berichte über seine Arbeit bekommen. Doch das alles ersetzt gewiß nicht das direkte Gespräch, das persönliche Kennenlernen, die eigene Anschauung. Aber bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir ja keine anderen Möglichkeiten zum Austausch gehabt.

So waren diese Tage im Juni 1987 nicht nur wichtig, um sachbezogene Informationen über unser Projekt in Nicaragua zu bekommen. Ebenso beeindruckend war die menschliche Begegnung mit Rafael.

Als Pfarrer und politisch aktiver Bürger seines Landes schlug er uns mit seiner Ausstrahlung, seinem Charisma und seinen lebendigen Schilderungen der Situation in Nicaragua in seinen Bann.

In Erinnerung geblieben sind mir seine Erzählungen über das soziale Leben eines Landes, das unter einem unerklärten Krieg litt, über die Bemühungen der FSLN-Regierung, trotz der widrigen Umstände ein gerechteres Land aufzubauen. Er konnte nicht nur für uns gut nachvollziehbar über die Aktivitäten seiner Kirchgemeinde und des angeschlossenen Kindergartens berichten. Nur kurze Bemerkungen machte Rafael über seine aktive Teilnahme an der Verteidigung seines Landes gegen die von den USA finanzierten Contras: Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits zwei Mal freiwillig bei den Milizen gemeldet und war so als Kämpfer – nicht als Seelsorger – im Norden seiner Heimat im Einsatz.

Wie wir es in den darauffolgenden Jahren im Gespräch mit Nicaraguanern oft erlebten, konnte Rafael sehr eindrücklich und überzeugend seine Pläne für die Entwicklung seiner Gemeinde und des Kindergartens und seine Zukunftsvisionen schildern. Das war für uns begeisternd und wirkte – zumindest auf mich – zugleich motivierend. Allerdings schwante es sicherlich schon damals vielen von uns, dass wir mit unseren begrenzten Möglichkeiten nicht viel zur Verwirklichung dieser Vorhaben und Träume würden beitragen können.