Er war der erste von vielen Freiwilligen, die nach ihm kamen: Norman Gerhardt aus Jena-Neulobeda trat im Verlauf des Jahres 2001 mit dem Wunsch an uns heran, für ein Jahr nach San Marcos zu gehen und dort in einem Projekt zu arbeiten.
Norman hatte jahrelang Geld für diesen Auslandseinsatz gespart und Spanisch ge-lernt, sich über Land und Leute informiert. Von Seiten unseres Vereins erfuhr er kaum Vorbereitung – außer, dass ich ihm ein Reisebüro zum Buchen des Fluges und das Landwirtschaftsprojekt als Einsatzort empfahl. Anders ist es heute, da Bewerber für ein Freiwilligenjahr auf ihre Eignung geprüft werden, ein Praktikum im entsendenden Verein machen sollen und auf ihre Tätigkeiten im Zielprojekt verpflichtet werden. Norman dagegen haben wir auf sich gestellt in die Fremde geschickt.
Er wohnte 12 Monate lang in der ärmsten dörflichen Region von San Marcos, wurde dort in eine Kleinbauernfamilie aufgenommen und erlebte so alle Höhen und Tiefen des nicaraguanischen Alltags. Er arbeitete auf dem Feld seiner Gastfamilie in der Aussaat und der Ernte, begleitete ein Solarprojekt und trug zum Erfolg des Landwirt-schaftsprojektes bei.
Dass wir, sowohl Norman als auch die beiden betreuenden Vereine, das Eine-Welt-Haus und APRODIM, trotz fehlender Vorbereitung nicht viel falsch gemacht haben, zeigte sich darin: Einen Bericht über seinen Auslandseinsatz begann er mit den Worten: „Das bisher beste Jahr in meinem Leben.“
Für mich war es eine große Bereicherung und Freude, einen jungen Deutschen in Nicaragua reifen und sich entwickeln zu sehen. Da er sich vor seiner Ausreise intensiv mit Land und Leuten beschäftigt hatte, kam er ohne „Flausen im Kopf“ in San Marcos an. Das einfache Leben auf dem Land, die in vielem andere Kultur und die tägliche schwere Arbeit waren dennoch und sicherlich eine Herausforderung für ihn.
Norman hat das alles wunderbar gemacht. Er hat sich nahtlos an die dortigen Verhält-nisse angepasst und folglich gab es nie ein Problem. Die Erfahrungen in der Trockenzone von San Marcos waren sowohl für seine persönliche Zukunft als auch für seinen Berufsweg entscheidend. Und ich glaube sagen zu können, dass er als anderer Mensch und glücklich nach Jena zurückkam.
Dennoch machte ich während der Begleitung dieses ersten Freiwilligeneinsatzes von Jena aus eine dann doch deprimierende Erfahrung.
Ich war und bin noch immer der Meinung, dass der Austausch von Informationen aus allen Jenaer Partnerstädten wie auch die kritische Begleitung dieser internationalen Beziehungen wichtige Aufgaben der lokalen Presse sind. Warum gibt es dort nicht regelmäßige Kolumnen und Artikel über diese Partnerschaften?
Mit dieser Idealvorstellung im Hinterkopf konnte ich sowohl mit der TLZ als auch der OTZ vereinbaren, dass Norman einmal im Monat über sein Leben in Lateinamerika berichtet. Er schickte uns sehr informative Schilderungen und Fotos, die anfangs in beiden Blättern abgedruckt wurden:
Ein Praktikum im Partnergebiet in Nikaragua OTZ 24. 01. 2002
Wohin des Wegs TLZ 24. 01. 2002
Wind weht Staub durch die Straßen TLZ 15. 03. 2002
Der erste Tag in Jenas Partnerstadt San Marcos OTZ 18. 03. 2002
Österliche Sitten in Mittelamerika OTZ 03. 04. 2002
Nötige Projekthilfe für nikaraguanische Kleinbauern OTZ 15. 05. 2002
Mit 15 oft schon ein Kind, aber keinen Mann OTZ 16. 07. 2002
Volksfest zum Namenstag in San Pedro OTZ 31. 07. 2002
Nikaraguanischer Alltag bei Bauern auf dem Lande OTZ 13. 11. 2002
Eine Zeitung reagierte ohne für mich ersichtlichen Grund nicht mehr auf meine E-Mails. Hatte ich etwas falsch gemacht? Kamen Nachrichten nicht an? Ein Telefongespräch mit der verantwortlichen Redakteurin brachte mir Aufklärung und große Verwunderung: Ich erfuhr, dass diese Berichte über den nicaraguanischen Alltag, Familienfeste usw. doch ganz nett, aber wenig spektakulär seien. Norman solle sich wieder melden, wenn er über etwas Besonderes wie ein Erdbeben, einen Vulkanausbruch oder vielleicht auch über einen Volksaufstand berichten könne.
Sehr zum Glück für Norman und unseren Verein musste er nie einen solchen dramatischen Bericht schreiben.