Bei dieser Spendenaktion gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen Christen und Nichtchristen, informellen Gruppen und staatlichen Organisationen, zwischen Studenten der Theologie, der Rechtswissenschaften und Mitgliedern von el camino. Was heute angesichts der üblichen Darstellung der Lebensverhältnisse in der DDR ungewöhnlich erscheinen mag oder gar als Querfront verunglimpft werden könnte, war für uns Alltag: Nicht nur gab es seit vielen Jahren in der Mensa der Friedrich-Schiller-Universität einen langen Tisch, an dem sich beim Essen Theologen, Mediziner, Physiker und Studenten anderer Fachrichtungen trafen und bisweilen heißt disku-tierten. Die Debatten konnten bei gutem Wetter im Prinzessinnengarten oder auf dem Gelände des damals schon parkähnlichen Johannisfriedhofs enden (friedlich natür-lich). In der kleinen, überschaubaren Universitätsstadt kannte man sich und viele von uns nutzten die Möglichkeiten, sich mit Vertretern anderer Fakultäten auszutauschen (oder eben mit ihnen zu streiten) oder in deren Vorlesungen zu gehen.
Bereits wenig später hat diese Nähe zwischen Juristen, Theologen und Medizinern zu einem gemeinsamen Projekt geführt: Unter der Überschrift „ambulancia“ (siehe hier, ab Seite 315) wurde gemeinsam Geld gesammelt, um einen Krankenwagen der Marke Barkas zu kaufen und dem nicaraguanischen Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen.A
Zugleich war die Spendensammlung für das vom Wirbelsturm Joana großflächig zerstörte Nicaragua für uns eine erste Erfahrung mit einer organisierten Öffentlich-keitsarbeit. Wir sammelten das Geld nicht nur im Familien- und Freundeskreis, sondern schrieben - vermutlich zum ersten Mal – Spendenaufrufe, um sie per Post zu verschicken oder persönlich zu verteilen.