Zum Hauptinhalt springen

In diesen Tagen gründete sich der Freundeskreis Nahost.
25 Bürger der Stadt Jena und Gäste waren der Einladung von Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter gefolgt und diskutierten, wie durch einen Freundeskreis Städte-partnerschaften in Israel und Palästina begleitet und unterstützt werden können.
Seit September 2011 gibt es einen Städtepartnerschaftsvertrag zwischen Jena und der palästinensischen Stadt Beit Jala. Für die zweite Jahreshälfte 2015 wird ein weiterer Städtepartnerschaftsvertrag mit der nordisraelischen Gemeinde Gilboa angestrebt. Zwischen den Städten Jena und Beit Jala hat sich bereits in den letzten Jahren viel getan: Außer den Gesprächen auf der Ebene der Stadtverwaltungen gibt es Begeg-nungen zwischen Bürgern beider Städte sowie Sport- und Kulturprojekte in Beit Jala, die von der Stadt Jena gefördert werden. Der Freundeskreis Nahost hat sich zum Ziel gesetzt, aktuelle Informationen zur Region untereinander auszutauschen, sich über den Stand von Projekten zu informieren und für das Verständnis der komplizierten Situation in Israel/Palästina durch bürgerschaftliches Engagement einzutreten.

Wer im Freundschaftskreis Nahost mitarbeiten möchte, kann sich an Jörg Auweiler wenden.

Eindrücke aus dem Westjordanland

Als ich letzte Woche mit dem Jenaer Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter für eine Woche zum Friedensfestival in der Jenaer Partnerstadt Beit Jala in Palästina weilte, es-kalierten die Vorwürfe gegen ihn wegen seiner Aussage, dass „Deutschland seine Zu-rückhaltung gegenüber Israel aufgeben muss. (...) Wir müssen helfen, dass die Menschen wieder Anreize haben, in ihren Ländern zu bleiben. Sonst werden wir des Flüchtlingsstroms nicht Herr."

Der Staat Palästina, der 1988 ausgerufen wurde, wird bisher von Deutschland nicht an-erkannt. Es ist auch nicht möglich, von einem zusammenhängenden Staatsgebiet der Palästinenser zu sprechen. Im Sechs-Tage-Krieg von 1967 eroberte Israel die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und den Gaza-Streifen. Aus einigen Ge-bieten zog sich Israel in den nachfolgenden Jahren zurück. Das Westjordanland blieb unter israelischer Besatzung. Nach den Friedensverhandlungen, die 1993 in Oslo be-gannen, wurde das Westjordanland in drei Zonen aufgeteilt: Die Zonen A unterstehen der palästinensischen Autonomiebehörde, die Zonen B werden von Israel und Palä-stina gemeinsam verwaltet, die Zonen C, die 62 % des Westjordanlandes umfassen, werden von Israel kontrolliert. Hier werden auch die neuen israelischen Siedlungen er-richtet. Dies erinnert an die Homelands in Südafrika zur Zeit der Apartheit-Regierung.

Die Beweglichkeit der Palästinenser und Israelis ist eingeschränkt. Israelis dürfen aus Sicherheitsgründen nicht in die A-Zonen, Palästinenser nur nach Vorliegen von Grün-den nach Israel. Der Bau von Mauern und Sperranlagen erfolgt nicht nur an der grünen Grenze, die Israel bis 1967 von seinen Nachbarn trennte, sondern oft mehrere Kilo-meter entfernt auf Palästinensergebiet. Dies und der Siedlungsbau im Westjordanland sowie latenter Wassermangel erzeugen bei den Palästinensern ein Gefühl der Ohnmacht. Eine hohe Arbeitslosigkeit trägt dazu bei, dass viele Palästinenser ihr Land verlassen und sich beispielsweise in Südamerika eine neue Existenz aufbauen.

In unserer Partnerstadt Beit Jala wird seit Sommer am Stadtrand eine neue Grenz-mauer gebaut, die israelische Siedlungen schützen soll. Dafür werden 40 Familien von ihrem Land getrennt und Jahrhunderte alte Olivenbäume gerodet. Den Anwohnern bleibt nur der stumme Protest jeden Sonntag an der Baustelle. Besitzrechte werden hier grob missachtet. Unwirklich wirkt die Situation, wenn das Alte Testament als Grundbuch für eine jüdische Siedlung inmitten der palästinensischen Stadt Hebron herhalten muss, um dem Grab von Abraham nahe zu sein.

Vor wenigen Tagen drohte der palästinensische Präsident Abbas vor der UNO in New York, die vor 22 Jahren geschlossenen Verträge zum Nahost-Friedensprozess aufzu-kündigen, da Israel sich nicht an die Vereinbarungen halte. Das Osloer Abkommen, das den Palästinensern einen eigenen Staat und Israel Frieden bringen sollte, gilt aller-dings schon lange als gescheitert. Doch zu weiteren Gesprächen zwischen der isra-elischen und palästinensischen Regierung gibt es keine Alternativen. Dieser Prozess muss unter Druck und Vermittlung der USA, der EU und insbesondere Deutschland weiter-geführt werden.

Jörg Auweiler

Vorsitzender des Jenaer Freundeskreises Nahost

Erste Begegnungsreise nach Beit Jala

Eine Städtepartnerschaft, wie zwischen Jena und Beit Jala im Westjordanland, lebt durch Kontakte der Menschen untereinander, durch persönliches Kennenlernen der Situation vor Ort. So war es nur eine Frage der Zeit, bis nach dem offiziellen Abschluss des Partnerschaftsvertrages zwischen den Stadtverwaltungen in Jena und in Beit Jala im Jahr 2011 eine erste Bürgerreise in den Ort nahe Bethlehem stattfand. Geführt von Petra Schöning, einer ausgewiesenen Kennerin des Gebietes, besuchten vom 27. September bis 7. Oktober dieses Jahres 20 Personen Israel und Palästina. Der Schwerpunkt der Reise lag auf dem Besuch der Partnerstadt Beit Jala mit seinen 12.000 Einwohnern. Ein Treffen mit dem Bürgermeister von Beit Jala, ein abendlicher Besuch von Familien in der Partnerstadt und Diskussionen mit Vertretern zahlreicher palästinensischer und israelischer Organisationen, die sich für Frieden in der Region und die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, verliehen der Reise ihren besonderen Akzent. Besichtigungen der Altstadt von Jerusalem, der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, der Städte Hebron, Nablus, Haifa und Tel Aviv sowie Baden im Toten Meer und im See Genezareth rundeten das Reiseprogramm ab. Für viele Mitreisende war es der erste Kontakt mit Israelis und Palästinensern. Noch ist Beit Jala eine christlich geprägte Stadt in einem islamischen Umfeld. Doch immer mehr Palästinenser verlassen ihre Heimat. Eine hohe Arbeitslosenquote und damit einhergehende Perspektivlosigkeit prägen den Alltag. Mauern und Zäune zu Israel, die am Stadtrand von Beit Jala die halbdurchlässige Grenze zu Jerusalem bilden, beschränken die Bewegungsmöglichkeiten der Palästinenser und Israelis. Die Bewohner warten auf Touristen, die seit dem letzten Palästinenser-Aufstand von 2000 bis 2005 massiv weggeblieben sind. In diesem Umfeld arbeitet die Stadtverwaltung von Beit Jala. Die Stadt ist sauber, neue Gebäude entstehen, doch der akute Wassermangel ist unübersehbar. Hinzu kommen die ungelösten Probleme der Flüchtlinge, die nun schon in der dritten Generation in Lagern unweit von Beit Jala wohnen.

Jena hat bisher Beit Jala punktuell unterstützt. So wurde mit anderen Partnern ein Kunstrasenfeld für Fußball angelegt, momentan wird ein Projekt zur Förderung des Tourismus in der Region aufgebaut. Es gibt einen kulturellen Austausch zwischen beiden Städten und einige Praktikanten weilten für mehrere Monate in Jena. Auf der Reise wurden erneut die Möglichkeiten für Schulpartnerschaften zwischen beiden Städten diskutiert. Im Gespräch verweist Beit Jalas Bürgermeister Nicola Khamis auf die bisher gute Zusammenarbeit zwischen beiden Städten. Er hofft, dass sich dies auch unter dem neuen Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche fortsetzen wird.

Organisiert wurde die Reise vom Freundeskreis Nahost, einem losen Zusammenschluss von Jenaern Bürgern, die die Stadtverwaltung in ihrer Partnerschaftsarbeit unterstützt. Die Stadt Jena hat die Reise mit Gastgeschenken und 400 Euro unterstützt. Ein Mitreisender fasste die Eindrücke wie folgt zusammen: „Die Reise hat uns Türen geöffnet und Eindrücke vermittelt, die wir auf einer normalen Tourismusreise nie gewonnen hätten“. Bei Interesse findet die nächste Reise nach Beit Jala im Jahr 2020 statt.

Jörg Auweiler