Der Staatsstreich wurde von den USA initiiert und finanziert und – wie wir inzwischen wissen – auch von der BRD unterstützt. Am Tag darauf lärmte irgendwann vormittags während des Unterrichts die Alarmklingel in der Erweiterten Oberschule, die ich damals besuchte. Das bedeutete normalerweise, dass wir uns in einer Notfallübung auf dem Schulhof versammeln sollten, die Lehrer die Vollzähligkeit der Schüler zu prüfen hatten usw. Für mich persönlich war dieser Tag der Beginn einer lebenslangen Passion: Als 17jähriger wurde mir zum ersten Mal klar, in welch sicherer und komfortabler Welt ich lebe. Seitdem treibt mich der Wunsch an, etwas von dem Glück und Wohlstand, deren ich teilhaftig geworden war, weiterzugeben; zur Gestaltung gerechterer, nachhaltiger Gesellschaften beitragen zu können. Als ich Jahre später zum Studium nach Jena kam, lernte ich glücklicherweise bald viele Lateinamerikaner kennen und entdeckte meine Affinität zu deren Kultur und Sprache. Eine als politisch Verfolgte in die DDR gekommene Chilenin wurde bald darauf unsere Spanischlehrerin. Und, das noch den mit „Wir haben Platz“-Plakaten herumstehenden oder von Umvolkung labernden Politikern ins Stammbuch geschrieben: Den aus Chile Geflüchteten wurde im Jenaer Stadtteil Lobeda, unkompliziert und ohne viel Aufhebens, ein ganzer Wohnblock zur Verfügung gestellt. Es ist nicht bekannt, dass es damals Demonstrationen der bisherigen Anwohner gegen ihre neuen Nachbarn oder Sorge wegen Überfremdung gegeben hätte. |