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PROMUJER - ein Frauenrechtsprojekt in Nicaragua

Der Anlass, das Frauenrechtsprojekt PROMUJER im Jahr 2000 zu beginnen, war die dramatische Verschlechterung der sozialen, wirtschaftlichen und vor allem auch rechtlichen Situation von Frauen und Kindern in Nicaragua, das in den 1990er Jahren von neoliberalen und rechten Regierungen dominiert wurde. Die überwiegende Mehr-heit der Bürger hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang zu Informationen über ihre Bürgerrechte, zu Gesetzen. Noch weniger Möglichkeiten hatten Frauen, ihre Rechte gegenüber ihren Männern oder Kindsvätern durchzusetzen.

Hinzu kam, dass in den 1990er Jahren, unter neoliberalen Regierungen, Frauen häufig auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert wurden. Hatten sie während der Re-volution und in den Jahren der ersten sandinistischen Regierung noch eine tragende Rolle inne, wurden sie mit einer wachsenden Armut und einem zunehmenden Zerfall der Gesellschaft in Klassen und Schichten marginalisiert.

In den von uns betreuten Projekten und im privaten Umfeld sahen wir immer wieder die Folgen struktureller Gewalt für die Einzelne: Frauen, die in ihrer Familie oder am Arbeitsplatz physische oder psychische Gewalt erlebten; Frauen und junge Mädchen, die von den Vätern ihrer Kinder keine Unterstützung bzw. Alimente erhielten und sich deswegen oftmals genötigt sahen, sich dem nächsten Mann zu unterwerfen; Frauen, die ihre Rechte nicht kannten und deswegen nicht wahrnehmen konnten.

Tätigkeitsbereiche

Das Projekt PROMUJER war eine Anlaufstelle für Frauen, insbesondere junge Mütter, Kinder und Jugendliche, die in ihren Familien Opfer von Gewalt wurden oder unter anderen Formen von Vernachlässigung und Ungleichbehandlung litten. Diese Men-schen erhielten im Projekt Unterstützung und rechtlichen Beistand, der für sie normalerweise unerschwinglich wäre.

An der Projektarbeit waren drei festangestellte Mitarbeiter beteiligt.

Eine Promotorin besuchte regelmäßig die verschiedenen Stadtteile und Außenviertel von San Marcos, um dort mit betroffenen Familien zu sprechen und diese zu beraten. Zudem organisierte sie gemeinsam mit einer weiteren Mitarbeiterin des Projekts Schulungen für Frauen und Jugendliche, in denen nicht nur Themen des Frauenrechts und der innerfamiliären Gewalt, sondern auch Inhalte zu Gender, Selbstvertrauen und elterlichen Pflichten behandelt wurden.

So sollte ein Ziel des Projektes umgesetzt werden: Frauengruppen über die Familien-gesetze und die Möglichkeit, Alimente von ihren ehemaligen Partnern oder Ehe-männern einzufordern, zu informieren. Wir wollten sie so stärken und es ihnen ermöglichen, wieder eine aktivere Rolle in der Gesellschaft einzunehmen.

Im Büro unseres Partnervereins APRODIM konnten sich die Frauen zudem von einem Anwalt kostenlos beraten und, sofern notwendig, ihre Anliegen rechtlich vertreten lassen. Dieses Angebot wurde von durchschnittlich 100 Klientinnen im Jahr dankend angenommen. Es war auch deswegen notwendig, weil Frauen und Mädchen zu dieser Zeit kaum eine unabhängige Beratung oder polizeiliche Beweissicherung wie durch die heute existierenden Frauenkommissariate zur Verfügung standen.

Diese juristische Beratung und Begleitung war vor allem notwendig in Fällen von in-nerfamiliärer psychischer oder physischer Gewalt. Im Verlaufe des Projektes stellten sich jedoch weitere Probleme heraus: Es ist in Nicaragua für viele Männer leider nor-mal, Kinder zu zeugen und dann nicht für deren Unterhalt aufzukommen. So bestand die Aufgabe der Projektmitarbeiter auch darin, diese Väter durch Überzeugungsarbeit oder - falls es nicht im Guten ging - durch einen Gerichtsprozess dazu zu bewegen, ihre Alimente zu bezahlen. 

Eine weitere Aufgabe des Projektes erscheint aus der Ferne klein, ist jedoch für die Betroffenen größer: aus Unkenntnis oder Geldmangel versäumen es viele Eltern, ihre Kinder standesamtlich zu registrieren. Das bedeutet, dass sie später, wenn sie als Jugendliche und Erwachsene ihre staatsbürgerlichen Rechte ausüben wollen, diesen Verwaltungsakt aufwändigerweise nachholen müssen. Deswegen wurden die Projektteilnehmer angehalten, ihre Kinder einzuschreiben.

Das Projekt wurde möglich durch eine finanzielle Förderung durch Misereor, Stiftung Nord-Süd-BrückenMissionszentrale der Franziskaner sowie den Weltgebetstag der Frauen - Deutsches Komitee e. V.

In einer Evaluierung der 10 Jahre Projektlaufzeit sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir die Unterstützung von Frauen und Mädchen in San Marcos auf eine höhere Stufe heben müssen. Wir haben gesehen, dass es Frauen natürlich weiterbringt, wenn sie ihre Rechte kennen und wenn sie wissen, an wen sie sich wenden müssen, um ihre Interessen durchzusetzen. Aber das umfassendste Gesetz und der beste Rechtsanwalt können nicht helfen, wenn eine Frau ihren gewalttätigen Mann nicht verlassen kann, weil sie finanziell von ihm abhängig ist. So kamen wir zum Entschluss, ein Programm zur Ausgabe von Kleinkrediten an Frauen zu beginnen und die Gruppen von Kredit-nehmerinnen wirtschaftlich wie auch sozial zu betreuen.