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PROFIMESAMA - Kleinkredite für Frauen in San Marcos

Die Verwirklichung von Frauenrechten beginnt mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Eine Frau kann sich aus einer unerwünschten Beziehung, insbesondere zu einem gewalttätigen Mann, nur dann lösen, wenn sie sich und ihre Kinder auch ohne Zuwen-dungen von ihrem Partner versorgen, wenn sie ein eigenes Einkommen generieren kann. Aber auch in funktionierenden Familien ist es für Frauen von Bedeutung, nicht von ihrem Mann abhängig zu sein. Denn eine wirtschaftliche und psychische Ab-hängigkeit von Frauen von ihren Partnern, vor allem in den ärmeren Bevölkerungs-schichten, ist eine wesentliche Ursache für innerfamiliäre Gewalt, für Vernachlässi-gung und Misshandlung von Kindern.

Das gilt für die BRD, in noch größerem Maße aber für ein Land der sog. Dritten Welt wie Nicaragua. Dort werden Frauen vor allem angesichts des traditionellen Machismo, aber auch aufgrund des Einflusses von Kirchen in vielen Familien auf ihre Rolle als Ehepartnerin und Mutter reduziert.

Um hier entgegenzuwirken, haben wir, das Eine-Welt-Haus und unser Partnerverein APRODIM im Jahr 2011 ein Kleinkreditprojekt PROFIMESAMA in Jenas Partnerstadt San Marcos begonnen.

Neben der Förderung kleiner Unternehmen wollten wir Frauen Selbstvertrauen geben, ihre Führungsqualitäten stärken, sie befähigen, ihre Menschen- und Bürgerrechte umzusetzen.

Im Projekt waren ein Kreditpromotorin, ein Ökonom und eine Rechtsanwältin angestellt. Ihre Aufgabe bestand darin, mit 226 Frauen (und wenigen Männern, die in die Gruppen aufgenommen wurden) zu arbeiten und insgesamt 17 Solidargruppen in 12 Stadtvierteln von San Marcos zu bilden - Solidargruppen deshalb, weil eine Voraussetzung für die Auf-nahme in das Projekt die Bereitschaft der Mitglieder war, sich nicht nur gegenseitig zu unterstützen und Mut zu machen, sondern auch gemeinsam für ihre Kredite einzustehen. Das Ziel bestand darin, die beteiligten Frauen zu stärken und ihre Einkommen um bis zu 25% zu erhöhen. Dieses Ziel wurde erreicht!!

Die Gruppenmitglieder waren Frauen, die bereits Kleinbetriebe oder kleine Verkaufs-stellen hatten oder solche eröffnen wollten. Es ging um wirtschaftliche Aktivitäten wie Kleinhandel (Nahrungsmittel, Kleidung), Handwerksbetriebe (Nähstuben, Bäckerei, Hühnerzucht und sogar eine von einer Frau betriebene Fahrradwerkstatt!) oder Dienstleistungen (Friseurinnen, Wäschereien). Dabei verfolgten wir den in ähnlichen Vorhaben anderer Organisationen bewährten „saving first-Ansatz“: Nach Gründung der Solidargruppen und vor der Auszahlung der ersten Kredite sollten die Mitglieder zunächst Einzahlungen von 1,00 $ pro Monat in eine gemeinsame Kasse einzahlen und das Geld gemeinschaftlich verwalten.

Die Frauen, die im Projekt zusammenarbeiteten, erhielten Kleinkredite zwischen 30,00 und 300,00 $ zu einem Zinssatz von 15% pro Jahr (bei anderen Verleihern beginnt dieser bei 27%!). Der Unterschied zu anderen Organisationen bestand auch darin, dass die Frauen eine betriebswirtschaftliche Beratung, Hinweise zum Kreditmanagement und berufliche Spezialisierungen erhielten, weitergebildet und bei der Etablierung sowie Weiterentwicklung ihrer Betriebe unterstützt wurden. Natürlich erhielten wie bei PROMUJER Frauen und Familien bei Bedarf eine soziale oder psychologische Betreuung.

Keine wurde allein gelassen, alle Begünstigten konnten sich auf die anderen Gruppenmitglieder verlassen.

Natürlich war nicht alles eitel Sonnenschein. Insbesondere zu Beginn des Projektes, in der Findungs- und Gründungsphase der Solidargruppen, gab es Missgunst und Gerüch-te, die bei einigen Frauen dazu führten, dass sie das Vertrauen in das Vorhaben ver-loren und ihre Gruppe verließen. Anderen fehlte die Geduld dafür, an einer derart langfristig angelegten Aktivität teilzunehmen. Deshalb wurde die Öffentlichkeit über den kommunalen Radiosender über die Ziele und die Risiken des Vorhabens infor-miert. Damit sollte diesen Vorurteilen begegnet und anderen Frauen Mut gemacht werden, einen ähnlichen Schritt in die Selbständigkeit zu gehen.

Vier Jahre lang, bis 2014, wurden die Solidargruppen begleitet und so vielen Frauen der Weg in die wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit geebnet. Am Ende der Projektlaufzeit zeigte sich uns ein riesiger Erfolg: die Mehrzahl der Solidargruppen blieb stabil, durch pünktliche Rückzahlungen der Kredite und Zinsen hatte sich ein solider finanzieller Grundstock von 85% der ursprünglich für die Darlehen bereit-gestellten Finanzmittel gebildet – und, am wichtigsten: viele der von PROFIMESAMA Begünstigten wollten weitermachen.

Es war von Anfang an geplant, das Kleinkreditprogramm PROFIMESAMA zeitlich be-grenzt zu unterstützen und die Aktivitäten danach neu zu organisieren - denn wir wollten die Frauen, die wir über eine so lange Zeit begleitet haben, nach dem Projekt-ende nicht alleinlassen.

Zu diesem Zeitpunkt stand vor uns jedoch die Aufgabe, die Zukunft der bestehenden Solidargruppen zu definieren, eine gerechte Weiterverwendung der vorliegenden Finanzmittel sicherzustellen und so weiterhin zur wirtschaftlichen und sozialen Unabhängigkeit der Frauen beizutragen.
Zusammen mit den bisher betreuten Frauen entschieden wir uns für die Gründung einer Kooperative, weil diese Organisationsform dem ursprünglichen Ansatz am nächsten kommt: Die Hierarchie im Kleinkreditprogramm war flach, in den Solidar-gruppen hatten alle Mitglieder die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten. Entscheidungen wurden gemeinsam getroffen und Erfolge gemeinsam gefeiert. Dieses bewährte Prinzip sollte in einer neuen Struktur weitergeführt und ein Erfolgsfaktor der Kooperative werden. Und es war für uns alle höchst erfreulich, dass die unten genannten Organisationen, welche die Mittel für das Projekt zur Verfügung gestellt hatten, unserem Vorschlag zustimmten, die Kooperative CACSAM zu gründen.

So konnten wir ein Ziel umsetzen, das wir mit vielen Projekten der Städtepartner-schaft verfolgen: kleine und mittlere Unternehmen in Nicaragua auf eine solidarische Weise zu unterstützen und die Wirtschaft des Landes zu fördern.

Das Projekt wurde möglich durch finanzielle Unterstützung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Stiftung Nord-Süd-Brücken sowie Spenden Jenaer Bürger.